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Wissensökonomie

Wo liegen Tirols High-Tech-Regionen?

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Biotechnische Produktion (© Sandoz GmbH, Kundl)

In der aktuellen, wissenschaftlichen Diskussion über zukünftige, neue Gesellschaftsformen in den hochentwickelten Ländern löst der flexible Begriff der "Wissensgesellschaft" zunehmend den bisher vorwiegend gebrauchten Terminus der "Informationsgesellschaft" ab. Damit wird die technologische Fixierung auf die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien etwas abgeschwächt und die Bedeutung individuellen und kollektiven Wissens und seine Organisation in den Vordergrung gerückt. In wirtschaftlicher Hinsicht wird durch den Bedeutungs-
zuwachs des Humankapitals als Standortfaktor der Zukunft, die Wertschöpfung auf eine neue Grundlage gestellt. Humankapital entsteht nicht im luftleeren Raum und nicht nur durch die Ausweitung individueller Bildung und betrieblicher Ausbildung, sondern meint auch die zunehmende Vernetzung aller wirtschaftlichen Akteure im Umfeld von Produktion und Konsum. Weniger die abgeleisteten Arbeitsstunden als vielmehr die Qualität der Zusammenarbeit und das "Sich-Einbringen" der Arbeitnehmer in komplexe Arbeitsprozesse werden in Zukunft entscheidend sein.

Die räumlichen Schwerpunkte bzw. die Innovationszentren der neuen Wissensökonomie sind anhand der Beschäftigten in Wirtschaftszweigen mit intensiver Forschungs- und Entwicklungstätigkeit in der Karte verortet worden. Die großen Städte, Innsbruck, Bozen, Meran und Brixen sind Zentren der neuen Wirtschaftform. Die anderen Bezirkshauptorte, besonders Bruneck, Lienz und Kufstein, sind nachgeordnete Kristallisationspunkte wissensintensiver Wirtschaft. Die Anzahl an Ingenieurskonsultenten als wichtige Träger von technischem Wissen unterstreicht diese Schwerpunkte zusätzlich. Größere Unternehmen der Sachgüterproduktion machen auch Teile des Zillertales, das Cadore und Teile von Friaul zu Regionen wissensintensiver Wirtschaft.

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Technologiezentrum Innsbruck, Gewerbegebiet Rossau (© Jan Stirnweis)

Die Auswahl dieser wissensintensiven Wirtschaftszweige erfolgte anhand der Erhebung Forschung und experimentelle Entwicklung (F und E) im Unternehmenssektor 2002 von Statistik Austria (Quelle: Statistik Austria, Statistische Nachrichten 6/2005). Ein Anteil von deutlich über 3,0 % an F und E Ausgaben am Umsatzerlös ist ein wichtiges Kriterium, neben dem Anteil der F und E Beschäftigten an allen im entsprechenden Zweig Beschäftigten. Die Steigerung der Ausgaben im Vergleich mit der Voruntersuchung aus dem Jahre 1998 offenbart, dass ganz besonders die Softwarehäuser und die Hersteller elektronischer Bauelemente ihre Forschung intensiviert haben. Für Südtirol wurde angenommen, dass die F und E Strukturen ähnlich gelagert und damit die entsprechenden Beschäftigungsdaten auch hier verwendet werden können. Der F und E Anteil am Umsatzerlös der Südtiroler Unternehmen dürfte allerdings generell etwas geringer als in Nordtirol sein, weil die Unternehmen im Durchschnitt etwas kleiner sind. Kleinere Unternehmen betreiben generell weniger F und E oder haben zumindest keine "offiziellen" F und E Abteilungen.

Forschung und Entwicklung (F und E) in wissensintensiven Zweigen der Sachgütererzeugung
ÖNACE CodeWirtschaftszweigAnteil der F und E BeschäftigtenAnteil der F und E Ausgaben am UmsatzerlösSteigerung der F und E Ausgaben 1998-2002
24.4Pharmazeutische Erzeugnisse13,0 %5,9 %15,7 %
30Büromaschinen, DV Geräte9,7 %0,8 %44,0 %
32 ohne 32.1Rundfunk-, Fernseh- und Nachrichtentechnik 28,4 %12,6 %8,2 %
32.1Elektronische Bauelemente7,6 %8,6 %118,7 %
33Mess-, Steuer- und Regelungstechnik, Optik10,7 %6,4 %66,9 %
34Kraftwagen und Kraftwagenteile7,4 %3,3 %68,4 %
15-37 (D)Sachgütererzeugung3,7 %2,0 %37,5 %
Quelle: Statistik Austria, Statistische Nachrichten 6/2005, S. 511

Forschung und Entwicklung (F und E) in wissensintensiven Dienstleistungszweigen
ÖNACE CodeWirtschaftszweigLaufende F und E (Anteil an allen F und E Ausgaben)Laufende F und E Ausgaben für die ProduktgruppeSteigerung der F und E Ausgaben 1998-2002
70,71,74Realitätenwesen, Vermietung beweglicher Sachen, unternehmensbezogene DL6,1 %1,0 %57,4 %
72 ohneDatenverarbeitung u. Datenbanken0,9 %0,9 %77,1 %
72.2Softwarehäuser2,9 %5,2 %308,6 %
73Forschung und Entwicklung4,1 %-71,9 %
50-93Dienstleistungen19,4 %10,7 %71,2 %
Quelle: Statistik Austria, Statistische Nachrichten 6/2005, Seite 514

In Österreich wurden 2002 knapp 80 % aller F und E Ausgaben in (Industrie)unternehmen der Sachgütererzeugung getätigt, die Dienstleistungswirtschaft erbrachte nur einen Anteil von knapp 20 %, allerdings mit stark steigender Tendenz. Darüber hinaus wird gerade in den Zweigen 73 und 74 - Forschung und Entwicklung sowie unternehmensbezogene Dienstleistungen - zumeist im Auftrag von Sachgüterproduzenten geforscht. Insgesamt arbeiten aber in den wissensintensiven Dienstleistungszweigen wesentlich mehr Menschen neben den F und E Fachkräften, so dass hier breitere Beschäftigungswirkungen erzielt werden (siehe on-click Diagramme "Beschäftigte Wissensökonomie nach Wirtschaftssektoren").

Im Jahr 2002 gaben die knapp 5.000 im Rahmen der Vollerhebung erfassten österreichischen Unternehmen gut 3,1 Mrd € für F und E aus und beschäftigten damit 34.020 Fachkräfte . Auf das Bundesland Tirol entfielen knapp 170 Mio. € oder 5,4 % dieser Ausgaben und 2.010 oder 5,9 % dieser Arbeitsplätze, was im Vergleich zum Anteil Tirols am gesamten BIP Österreichs wenig ist. Das bedeutet allerdings nicht, dass Tirol den Wandel zur Wissensökonomie verschlafen hat, sondern es besagt lediglich, dass von Haus aus weniger forschungsintensive Branchen wie der Tourismus in der Tiroler Wirtschaft eine wichtige Stellung einnehmen.

Beschäftigte F und EAnteil in %Ausgaben F und E (1000 €)Anteil in %Anteil Tirols am BIP 2004
Tirol2.0105,9 %169.1925,4 %8,7 %
Österreich34.020100,0 %3.130.884100,0 %100,0 %
Quelle: Statistik Austria, Statistische Nachrichten 6/2005, Seite 510