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Handwerksunternehmen im Jahr 2006

Das Tiroler Handwerk-Rückgrat und Motor der Wirtschaft

Handwerksunternehmen bilden das traditionsreiche Rückgrat der Tiroler Wirtschaft, sowohl nördlich als auch südlich des Brenner. Als 1851 die Handels- und Gewerbekammer gegründet wurde, stellte das Handwerk bereits das Gros der Tiroler Unternehmen. Handwerkliche Tätigkeiten besserten als traditioneller Nebenerwerb das Einkommen vieler Bauern im von schwierigen landwirtschaftlichen Produktionsbedingungen geprägten "Land im Gebirge" auf. Dementsprechend groß ist die Prägekraft des Tiroler Handwerks im kulturellen Bereich und die Funktion als Träger vielfältiger Traditionen ist sehr ausgeprägt. Im September 2006 fand in Seefeld bereits zum neunten Mal das Fest "Altes Handwerk" statt, das Fassbinder, Töpfer, Wagner, Büchsenmacher, Sattler, Reggeler, Sackbesteckmacher, Federkielsticker, Holzbildhauer, Maskenschnitzer, Korbflechter, Spitzenklöppler und andere traditionelle Handwerker zusammenführte. Handwerkliches Geschick und handwerklicher Stolz sind ein Teil der Tiroler Mentalität und dürfen auch im Hinblick auf ihren Attraktivitätswert für den Tourismus nicht unterschätzt werden. Gerade dort wo die Produktion des Handwerks für den touristischen Absatzmarkt boomt, wie die Holzschnitzerei im Grödner- und im Abteital oder das Glassschleiferhandwerk in Rattenberg und Kramsach, finden sich besonders viele Handwerksunternehmen.

Auch im Jahr 2005 ist die Sparte Gewerbe und Handwerk mit 12.778 aktiven Mitgliedern und rund 52.500 unselbständig Beschäftigten die größte Untergliederung der WK Tirol. In Südtirol sind 12.694* Unternehmen mit rund 35.500 Beschäftigte im Handwerksbereich registriert, die 11 % des Südtiroler Bruttoinlansprodukts erwirtschaften. Überragend ist die Stellung des Handwerks nach wie vor bei der Ausbildung des Facharbeiter-Nachwuchses. Laut der Lehrlingsstatistik der WK Tirol bildeten im Jahr 2005 die 2474 Lehrbetriebe der Sparte Gewerbe und Handwerk (53 % aller Lehrbetriebe) 6509 oder 49 % aller Lehrlinge in Nordtirol aus. In Südtirol ist das Handwerk sogar für annähernd 60 % der auszubildenden Lehrlinge verantwortlich.

Charakteristisch ist die Fülle an unterschiedlichsten Wirtschaftsbranchen, die durch das Handwerk abgedeckt werden. Traditionelle, produzierende Handwerke wie Tischler, Bäcker oder Metzger finden sich neben Unternehmen des Bauhaupt- und -nebengewerbes wie Maler, Maurer oder Dachdecker. Aber auch Dienstleistungen unterschiedlichster Art sind durch Friseure, Kfz Mechaniker, Floristen oder Fotografen vertreten. Das WIFO Bozen nennt für 2005 eine Aufteilung der Beschäftigten von ca. 75 % im produziernden Handwerk und 25 % in der Dienstleistungswirtschaft in Südtirol.

Gerade in Südtirol liegt die durchschnittliche Größe von Handwerksbetrieben mit 2,7 Beschäftigten deutlich unter dem Schnitt der Gesamtwirtschaft (4,1 Beschäftigte pro Betrieb-siehe Karte durchschnittliche Betriebsgröße). Mehr als 50 % aller Handwerksbetriebe sind Ein-Personen-Untermehmen. Deswegen findet man südlich des Brenner auch deutlich mehr Unternehmen des Handwerks pro 1000 Einwohner als nördlich davon. Die Bedeutung dieser Kleinstbetriebe für die Nahversorgung im ländlichen Raum und als konjunkturstabilisierendes Element muss als sehr hoch bewertet werden. In Nordtirol ist das Handwerk ebenfalls kleinstbetrieblich und meist in Familienunternehmen organisiert. Gerade im Bereich der Holzbe- und -verarbeitung, der Metallverarbeitung, im Nahrungsmittelbereich und im Bauneben- und -hilfsgewerbe hat aber die durchschnittliche Betriebsgröße zugenommen, so dass in diesen Branchen häufig Betriebe um 10 Mitarbeiter zu finden sind. Die mittlere Betriebsgröße ist in Nordtirol höher, gleichzeitig ist aber auch der Anteil des Handwerks an allen Unternehmen im Land Tirol höher (33,8 %; siehe on-click-Diagramme) als in Südtirol (22,6 %), da im Handelregister Bozen insgesamt wesentlich mehr aktive Unternehmen registriert sind (52.220) als bei der WK Tirol (37.762).

Das Handwerk hat in den letzten Jahrzehnten einen bedeutenden Strukturwandel durchlaufen, der sich in die Zukunft fortsetzen wird. Viele der oben genannten "Alten Handwerke" sind durch die Konkurrenz der industriellen Massenfertigung beinahe ausgestorben. Allerdings bestehen für einige produzierende Handwerke wie Schuster (z.B Orthopädieschuhe), Bäcker und Metzger (Qualitätsprodukte) oder Tischler (individuelle Möbelfertigung) Möglichkeiten der industriellen Konkurrenz durch Marktnischenstrategien auszuweichen. Traditionelle und nicht zu rationalisierende persönliche Dienste wie Friseure oder Bestatter sind stark an die Entwicklung der Einwohnerzahl gebunden.
Andere, modernere Handwerke wie das Kfz- und das Elektrohandwerk konnten durch das Bevölkerungswachstum und den steigenden Lebensstandard sogar einen starken Aufschwung verbuchen. Die neuen Felder der Informations- und Unterhaltungselektronik versprechen auch in Zukunft gute Wachstumschancen. In der Metallbe- und verarbeitung und im Maschinenbau hat das Tiroler Handwerk eine erfolgreiche, kleinbetriebliche Spezialisierung betrieben, die sich zunehmend als internationaler Wettbewerbsvorteil erweist und die deutliche Entwicklungsanalogien zu den entsprechenden Industriezweigen aufweist. Das Baugewerbe und hier besonders das Baunebengewerbe hat sich ebenfalls kräftig entwickelt. Durch Spezialisierung auf kleinere Renovierungen einerseits und neue Trends in der Bautechnik und bei Baumaschinen, die auch kleineren Firmen größere Projekte erlauben, andererseits, scheint auch die Zukunft des Bauhandwerks gesichert.

* Aus den Daten des Handelsregisters Bozen wurden Handwerksunternehmen der Branchen Informatik, Immobilien, Finanzvermittlung und Druck herausgerechnet, um eine Angleichung an die Nordtiroler Daten zu erreichen. Seit 2003 sind diese Branchen in der WK (Nord)Tirol in der neuen Sparte Information und Consulting angesiedelt worden. Auch die Branche Handwerk-Landwirtschaft wurde herausgerechnet.